Lessons Learned und Retrospektive werden zum Rückblick auf Projekte mitunter recht stiefmütterlich behandelt. Zu Unrecht, meinen unsere WHYBRID-Experten und brechen im Interview für den Change Blog eine Lanze für beide Ansätze.
Was verbirgt sich hinter Lessons Learned und Retrospektive eigentlich?
Lessons Learned ist eine Projektmanagementmethode im klassischen Projektmanagementumfeld. Die Retrospektive ist eine Methode aus dem agilen Umfeld. Beides sind sogenannte KVP-Methoden und dem japanischen KAIZEN entlehnt, im deutschen Umfeld als „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ bekannt. Darüber hinaus lassen sich aber einige Unterschiede ausmachen.
Von welchen Unterschieden sprechen wir an dieser Stelle?
Fangen wir mit dem zeitlichen Fokus an. Während ein Lessons Learned auf einen größeren Zeitabschnitt und das Gesamtprojekt abzielt, ist eine Retrospektive für einen kurzen (operativen) Zeitabschnitt beziehungsweise Sprint gedacht.
Ebenso fällt die Zielsetzung unterschiedlich aus. Ein Lessons Learned ist primär darauf ausgerichtet, einen guten Projektabschluss zu erreichen und aus den gemachten Erfahrungen zu lernen. Das Gelernte wird als Wissen konserviert und erst im Folgeprojekt eingesetzt. In der Praxis kann es dazu führen, dass nur negative Erfahrungen betrachtet werden. Gute Moderatoren versuchen deshalb nicht nur herauszustellen, was verbesserungsfähig ist, sondern auch die Punkte herauszuarbeiten, die bereits gut laufen und beibehalten werden sollten.
Bei der Retrospektive gilt es unter der Annahme, dass jeder sein Bestes gegeben hat, herauszuarbeiten, was gut läuft und beibehalten werden soll. Ebenfalls wird festgestellt, was man nicht mehr machen sollte und Verbesserungspotenzial identifiziert. Dazu gibt es verschiedenste Detailmethoden (zum Beispiel Seestern oder K.A.L.M). Die Umsetzung erfolgt direkt im Anschluss im nächsten Sprint.
Des Weiteren gibt es inhaltliche Unterschiede. Die Retrospektive stellt die Themen „Prozess“ und „Zusammenarbeit“ in den Fokus. Ein Lessons Learned hingegen betrifft das gesamte Projekt einschließlich der Schnittstellen zu anderen Bereichen und geht weit über das Operative hinaus. Dementsprechend sind die Teilnehmenden anders zusammengestellt. Während die Retrospektive in kurzen Abständen vom (Scrum-) Team verwendet wird, ist das Lessons Learned ein längerer Workshop, der zusätzlich Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus anderen Bereichen und deren Schnittstellen mitberücksichtigt.
Beides hat seine Berechtigung und Sinnhaftigkeit. Dennoch werden beide Methoden immer gerne ausgelassen.
Warum werden Lessons Learned und Retrospektive vernachlässigt?
Beim Lessons Learned liegt es unter anderem am Zeitpunkt, zu dem diese Methode zum Einsatz kommt. Projekte laufen nicht immer geradlinig. Deshalb ist irgendwann der Abschluss nicht mehr zu verschieben. Bei Verzögerungen im Projekt fällt meist etwas weg. Dazu gehört insbesondere das Thema Lessons Learned, da dieses erst nach Beendigung des Projektes durchgeführt wird. Zudem wird hier zusätzlich das Projektteam gebraucht, was zu diesem Zeitpunkt meist schon in anderen Projekten arbeitet. Außerdem entsteht Aufwand, der nicht sofort positive Effekte hat. Hier wird meist das Einsparpotenzial dem zukünftigen Ertrag vorgezogen.
Eine Retrospektive hingegen wird nach jedem Sprint durchgeführt und die Ergebnisse werden direkt umgesetzt. Trotzdem stellt man immer wieder fest, dass der für die Retrospektive ständig anfallende Aufwand zu hoch ist, den man zu Gunsten anderer Themen gerne „schiebt“. Außerdem sind Retrospektiven regelmäßig psychisch fordernde Formate, da in ihnen auch persönliche Konflikte oder individuelle Problematiken thematisiert werden. Dies zu bearbeiten ist zwar sehr förderlich für die zukünftige Zusammenarbeit, aber eben auch sehr anstrengend. Wenn dann die Erkenntnisse der Retrospektive geringer werden, ist ein Aussetzen oder Schieben auf den n-ten Sprint fast vorprogrammiert.
Welchen Aufwand erfordern die Methoden?
Bei einem Lessons Learned reden wir von einem eintägigen Workshop mit den Projektmitgliedern, zumindest dem Kernteam. Wichtig ist eine Ablage für Folgeprojekte, damit diese aus den Ergebnissen auch lernen können. Der Workshop sollte von einem in der Methode bewanderten Moderator oder besser sogar noch zwei Moderatoren durchgeführt werden. Diese Expertise ist leider nicht immer gegeben.
Bei der Retrospektive werden in jedem Sprint einige Stunden anfallen, die sich aufaddieren. In Summe ist der Aufwand dann schnell höher als bei einem Lessons Learned.
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